Medizinische Onkologen operieren nicht. Sie haben vor allem gelernt, mit dem Handwerkszeug richtig umzugehen, das gegen alle Krebsarten und gegen andere Arten bösartiger Erkrankungen in Diagnostik und Therapie gebraucht wird: Gezielte Untersuchungen, kluge Einschätzung von Gefahren, Koordination verschiedener anderer Behandlungsverfahren (Chirurgie, Strahlentherapie), und natürlich auch dann medikamentöse Krebstherapie, wenn der ganze Körper betroffen ist. Hinter diesem Begriff verbirgt sich auch Chemotherapie, aber wahrhaftig nicht allein. Auch andere Formen der Krebsbehandlungen mit Medikamenten werden hier eingeschlossen.
Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Wirkmechanismen, mit unterschiedlichen Zielen, mit jeweils dem passenden Team können wir uns um jeden an Krebs Erkrankten kümmern - im Grunde unabhängig davon, in welchem Organ das bösartige Leiden entstanden ist. Medizinische Onkologen sind Lotsen und Koordinatoren. Manchmal sind sie Übersetzer und Erklärer. Immer versuchen sie, sich als Ansprechpartner anzubieten.
Bösartiges Gewebe, das die Ärzte "Krebs" nennen (im Unterschied zu anderen Typen bösartiger Gewebe wie Leukämie oder Lymphom) entsteht immer in Organen, die eine entwicklungsgeschichtliche Nähe zu Drüsen haben. Häufig betrifft das Zellen in den Bronchien, der weiblichen Brust, der Prostata, der Darmschleimhaut. Charakteristisch: In Frühstadien kann Krebs nahezu immer durch operative Eingriffe so vollständig entfernt werden, dass man von Heilung sprechen kann. Das weiß man auch als medizinischer Laie beispielsweise in Zusammenhang gerade mit den häufigen Krankheiten wie Darmkrebs oder Brustkrebs.
Für uns häufige Krebserkrankungen, mit denen wir uns entsprechend intensiv befassen, sind beispielsweise:
Bei uns weniger häufig in Behandlung - und aus ganz unterschiedlichen Gründen - sind Patienten mit folgenden Erkrankungen:
Krebs bei Kindern ist etwas Besonderes. Nicht nur, weil er zum Glück selten ist, sondern auch, weil die Behandlung von Menschen, die teils noch gar nicht verstehen können, was da geschieht, eine ganz eigene Herangehensweise fordert. Weil viel mehr als bei Erwachsenen im höheren Lebensalter die Familie als System in die Therapie einbezogen werden muss - und betroffen ist. Weil die Heilungsraten höher, aber auch die Therapien intensiver sind. Weil die Ärzte, konfrontiert mit einer kleineren Zahl von Krebssorten, sich intensiver spezialisieren können.
Weltweit hat sich eine Arbeitsteilung zwischen maximal spezialisierten Kinderärzten ("pädiatrische Onkologie") einerseits und Onkologen andererseits entwickelt: Die im Kindesalter typischen bösartigen Erkrankungen werden anders behandelt als Krebs im Erwachsenenalter. Häufig sind die intensiven Therapien an Kliniken gebunden. In der Regel verweisen wir daher auf Kinderkliniken, wenn es um Krebs bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden geht. Wir scheuen uns nicht, zuzugeben, dass wir da nicht auch noch gute Medizin machen können.
Wer "Tumortherapie", "Krebsbehandlung" oder "Leukämietherapie" hört, denkt oft an Chemotherapie und hat sofort andere Menschen vor Augen, die schwere Zeiten unter der Krebsbehandlung hatten. Aber: Kamen die Beschwerden von der Therapie oder eher von der Erkrankung? Ist die eigene Erkrankung vergleichbar? Hat das, was man beobachtet hat, tatsächlich mit dem zu tun, was jetzt vorgeschlagen wird? Man behandelt heutzutage längst nicht immer mit Chemotherapie. Oft ist es günstiger, den Hormonhaushalt medikamentös zu beeinflussen, Stärken des Immunsystems zu nutzen und zu fördern, oder gezielt Signalwege von Wachstumsreizen zu blockieren.
Beim Wort Chemotherapie denkt man nicht selten an gefährliche Medikamente oder welche mit schlimmen Nebenwirkungen. Zum Glück ist das in vielen Fällen so nicht richtig. Manchmal aber doch und dann lohnt es, ein paar Regeln zu beachten. Chemotherapie wird meistens als Infusion in eine Vene gegeben, aber auf den Eintrittsweg des Zellgiftes in den Körper kommt es in Wirklichkeit nicht an. Nebenwirkungsreiche Medikamente können im Prinzip genauso als Tablette oder subcutane / intramuskuläre Spritze (unter die Haut oder in einen Muskel zu geben) "verpackt" sein. So gibt es Tabletten, die viel schlechter verträglich sind als manche Infusionslösungen oder Spritzen.
Viel entscheidender ist, welche Gewebe mit geschädigt werden, die man eigentlich nicht treffen möchte. Besonders Krebsleiden, bei denen die bösartigen Zellen sich rasch teilen, können mit Zellgiften behandelt werden - das ist die eigentliche Chemotherapie. Medikamente werden gegeben, die viele Zellen im Körper treffen. Empfindlich sind dabei leider nicht nur die Krebszellen, sondern unterschiedliche gesunde Gewebe. Wenn die Medikamente Erbrechen oder Übelkeit auslösen, wenn sie den Darm zum Durchfall reizen, die Abwehr gegen Bakterien stören und die Infektionsneigung steigern, wenn sie die empfindlichen Schleimhäute schädigen - dann sind das unerwünschte Wirkungen gegen gesunde Gewebe. Hier lässt sich einiges machen und man sollte richtig damit umgehen:
In der medikamentösen Tumortherapie wird meist zwischen verschiedenen Wirkprinzipien unterschieden. Es wird keineswegs immer mit Zellgiften (mit der eigentlichen "Chemo"-therapie) gearbeitet: Von Hormonen abhängige Krebse können durch "antihormonelle Therapie" (meist Tabletten) beeinflusst werden. Das Prinzip: wenn Krebswachstum durch Hormone stimuliert wird, kann es nützlich sein, mit Hilfe von Medikamenten diese Hormone zu bremsen. Was man in Kauf zu nehmen hat: die erwünschten Wirkungen der Hormone werden gleichzeitig gemindert.
Erfolgreich sind sogenannte "monoklonale Antikörper". Künstlich erzeugte, dem menschlichen Vorbild angepasste Abwehr-Eiweisse (Immunglobuline) werden mit sehr speziellen Eigenschaften versehen. Diese Infusionslösungen sollen dann bewirken, dass bestimmte Oberflächenmerkmale von Zellen markiert werden und weitere Immunvorgänge ausgelöst werden, die in der Vernichtung der jeweiligen Zelle enden. Im Prinzip sind das Methoden, wie sie der Körper selbst anwendet, wenn er einen vorhandenen Immunschutz nützt.
Der Trick in der Tumortherapie besteht, darin, Zelloberflächen-Eigenschaften zu finden, die nur auf den "bösen" und möglichst nirgends auf den "guten" Zellen sitzen, damit das Medikament wie ein "magisches Geschoss" zielsicher und ohne Kollateralschäden sein Werk tut .. Diese erhoffte sehr hohe Selektivität ist leider nur bei einigen bösartigen Erkrankungen gegeben (maligne Lymphome, bestimmte Formen von Brustkrebs, u.a.) und dadurch ist die Anwendbarkeit eingeschränkt. Wo wir sie anbieten können, sind solche Therapien aber ein klarer Gewinn.
In den letzten Jahren ist viel von "personalisierter Medizin", von "stratifizierter Therapie", auch manchmal von "individualisierter Medizin", auf englisch von "targeted therapy" die Rede. Krebsmittel, die meist als Tablette kommen, täglich einzunehmen und in der Regel extrem teuer sind (100 Euro pro Tag und mehr ist keine Seltenheit), sollen möglichst gezielt einen für das Wachstum der Krebszellen entscheidenden Signalweg blockieren, der in ihnen intensiver als in gesundem Gewebe aktiv ist. Viele dieser Signalwegaktivierungen kommen selten vor, manche Blockaden funktionieren hervorragend, gezielt und langanhaltend, nicht wenige aber leider nur vorübergehend. Mit bislang einer Ausnahme (chronische myeloische Leukämie) sind diese Therapien Dauertherapien. Chronische Tabletteneinnahme, in der Regel täglich, soll die bösartigen Leiden zu beherrschbaren chronischen Erkrankungen machen.
Das Spektrum reicht von geringem bis zu grandiosen Erfolgen. So gibt es Medikamente gegen eine bestimmte Form von Leukämie (CML), die jeder Chemotherapie überlegen sind: durch so genannte Tyrosin-Kinase-Inhibitoren erscheint inzwischen die Heilung der chronischen myeloischen Leukämie in einem Teil der Fälle erreicht. Bis vor wenigen Jahren war das undenkbar oder nur durch die ungleich riskantere und jüngeren Patienten vorbehaltene Knochenmarktransplantation zu erreichen.
Mit der Person des Erkrankten (dem Individuum) hat das dann aber doch nichts zu tun. Eher schon damit, dass man immer besser versteht, dass Krebs nicht gleich Krebs ist und dass die Unterschiedlichkeiten der genetischen Ausstattung der Tumore nach unterschiedlichen Ansatzpunkten verlangen. Ein Medikament hilft nicht gegen "alles". Worauf es ankommt: Ob oder ob nicht im Tumorgewebe eine das (bösartige) Wachstum aktivierende Gensignalveränderung nachweisbar ist und ob es Forschungsergebnisse gibt, die auch beweisen, dass man sich bei der jeweils vorliegenden Kombination von Krebsart [Ursprungstumor] und Genveränderung [Treibermutation] mit einem bestimmten Medikament einen Nutzen versprechen kann.
Noch immer auch 2021/22 auf dem fortgesetzten Vormarsch, so dass wir weit entfernt sind von einer abschließenden Bewertung, sind Immuntherapien. Sicher ist inzwischen längst, dass sie den größten Fortschritt der letzten 30 Jahre in der Krebstherapie darstellen. In gar nicht so wenigen Einzelfällen gelingt, was bisher bei fast allen Krebsarten jeder Erfahrung widersprach und völlig unmöglich schien: Einzelne Patienten, die viele Metastasen hatten, und die bis vor Kurzem von allen Onkologen als nicht mehr heilbar eingestuft worden wären, leben nach Immuntherapien oder Kombinationen von Chemo- mit Immuntherapien seit Jahren ohne Krankheitserscheinungen. Wir sehen inzwischen in diesen Gruppen mit früher miserabler Prognose eine kleine Zahl Betroffener, die heute eventuell geheilt werden können. Das funktioniert bei manchen Krebsarten besser, bei vielen anderen nach wie vor kaum. Dort, wo diese Therapien zur Anwendung kommen, sehen wir exzellente Erfolge bei ca. ein bis zwei von je zehn Behandelten. Die eventuellen Heilungsraten sind niedriger. Die Zahl der Patienten, denen ohne eine Heilung zu erreichen dennoch deutlich besser geholfen wird, als mit Chemotherapie, ist erheblich höher. Schwere unerwünschte Wirkungen sind im Vergleich zu Chemotherapie selten. Risikofrei sind sie dennoch nicht.
Diese Medikamente können versuchen, Blockierungen des körpereigenen Immunsystems gegen den Krebs zu lösen (quasi die Blockade blockieren) und das körpereigene Immunsystem wird von seinem "blinden Fleck" befreit. Erstmals kann es den Krebs als Feind erkennen, bekämpfen und in einigen Fällen, wie es scheint, sogar vernichten. Wir erleben derzeit, dass solche Behandlungsprinzipien in der Behanldung praktisch aller Krebsleiden getestet werden. In noch immer zu vielen Fällen sind sie nicht oder nur vorübergehend wirksam und nicht unbedingt effektiver als Chemotherapie. Meistens allerdings ist ihre Verträglichkeit ganz klar erheblich besser. Wir erleben weiterhin den Einschluss von Immuntherapeutika in unsere Behandlungskonzepte. Es entwickeln sich beispielsweise Vorgehensweisen, bei denen Immuntherapien mit Chemotherapien kombiniert werden. 2021 auf dem Vormarsch sind Vorgehensweisen, für die zwei solcher Medikamente kombiniert werden. Zugleich wird fieberhaft daran geforscht, wie man Vorhersagen über die Effektivität einer solchen Strategie machen kann. Absehbar ist, dass ihre Anwendung noch weiter zunehmen wird - nicht nur zur Behandlung fortgeschrittener Krebserkrankungen, sondern sogar mit dem Ziel der Verhütung von Rückfällen nach einer OP oder mit dem Ziel, eine folgende OP erfolgreicher zu machen.
Nobelpreis: Die Süddeutsche hat damals 2018 schön zusammengefasst: "Den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhalten in diesem Jahr James Allison und Tasuku Honjo für ihre Arbeit auf dem Gebiet der Krebstherapie. Die beiden Immunologen haben unabhängig voneinander Wege gefunden, die Aufmerksamkeit des Immunsystems auf Krebszellen zu lenken, die der Körperabwehr normalerweise entgehen. Damit haben Allison und Honjo ein nach Ansicht des Nobel-Komitees in Stockholm "vollkommen neues Prinzip der Krebstherapie" etabliert. Durch die Entdeckungen der beiden Wissenschaftler gelingt es Ärzten bei manchen Tumorarten inzwischen, die natürlichen Bremsen des Immunsystems zu lösen und es auf die Krebszellen loszulassen. Diese Therapie durch sogenannte Checkpoint-Inhibitoren habe die Krebsbehandlung "revolutioniert", heißt es in der Begründung aus Stockholm." [https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/nobelpreise-medizin-nobelpreis-fuer-durchbruch-in-der-krebstherapie-1.4152126 - aufgerufen am 21.10.18]
Angst vor Chemotherapie? Das erleben wir ständig - und können es gut verstehen. Hilfreich ist, über die Gründe zu sprechen. Oft genug wird das, über das man mehr Informationen hat, viel besser zu packen sein. Oder man merkt, dass die Dinge anders liegen, dass die Angst nicht ganz so nötig war. Zu häufigen Themen finden Sie hier Antworten und Erklärungen.
Ist Behandlung von Krebs oder bösartigen Erkrankungen des Blut- und Lymphsystems immer gleich Chemotherapie? Man behandelt heutzutage längst nicht immer mit Zellgiften, die den gesamten Organismus betreffen. Oft ist es günstiger, den Hormonhaushalt medikamentös zu beeinflussen, Stärken des Immunsystems zu nutzen und zu fördern, oder gezielt Signalwege von Wachstumsreizen zu blockieren - mehr dazu unter medikamentöse Krebstherapien
Die unter Chemotherapie am meisten gefürchteten Problem sind Erbrechen und Übelkeit. Dabei werden seit gut 10 Jahren viel wirksamere Medikamente schon vorbeugend erfolgreich eingesetzt und die Behandlung hat viel an Schrecken verloren. Ausserdem gibt es eine Reihe einfacher Regeln für Prophylaxe und Notfall
Eine kommentierte Liste, damit Sie Namen von Medikamenten gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika) einordnen können. Warum wird das eine Mittel verschrieben und nicht das andere? Eine Fachberatung wollen wir hier nicht ersetzen, aber eine Basis für Nachfragen möchten wir schon bieten mit unserer Antiemetika-Liste.
Blutbild und Leukos - die wahrscheinlich am häufigsten auf einige unserer Patienten einströmenden Begriffe. Verantwotungsvoll gemachte Chemotherapie geht nicht ohne Kontrollen dort, wo die größten Gefahren lauern, aber einfach vermieden werden können: Blut abnehmen und messen, ob die Abwehr steht.
Zumindest manchmal ist das so: Eine Infektion breitet sich im Körper aus, und der reagiert mit Schüttelfrost, das Thermometer steigt. Je mehr Abwehrzellen zur Verfügung stehen, desto rascher ist die Kontrolle zurückgewonnen. Hat aber Chemotherapie die Abwehr geschwächt, kann leichter eine Blutvergiftung drohen. Daher: Fieber merken und richtig reagieren.
Es gibt kaum ein Feld in der Medizin, in dem in den letzten Jahren so viele neue Medikamente erfunden wurden, wie in der Krebsheilkunde. Selbst wenn es sich nicht immer gleich um einen Durchbruch handelt, kommt ein kleiner Fortschritt zum nächsten. Das lässt hoffen. Neue Wirkprinzipien kommen hinzu. Neue Nebenwirkungen werden nicht zu vermeiden sein. Lichtblick: Immerhin müssen Nebenwirkungen heutzutage von Anfang an intensiv mit erforscht werden; wenn sie zu heftig sind, drückt das den Marktpreis, den die Firma erzielen kann. Das wirkt sich auf die Medikamentenentwicklung aus und man kann insgesamt sagen, dass die Verträglichkeit der Therapien heutzutage einen hohen Stellenwert hat.
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