"Was kann ich selber tun, um mich nicht nur voll Chemie pumpen zu lassen?" "Mein Immunsystem soll unterstützt werden" - Zwei typische Überlegungen Betroffener und Angehöriger, die nach nicht-schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten fragen.
Regelmäßig denken Erkrankte und gerade auch Angehörige über Optionen in der akuten Behandlungsphase nach, wie Zellgifte vermieden werden könnten: "Bio und Natur statt Chemie"? Es kann auch um Prävention gehen: Funktioniert alternative Vorbeugung gegen Krebs? Meistens ist gar kein "entweder - oder" gemeint: Helfen komplementäre Maßnahmen als Ergänzung zu unseren schulmedizinischen Verschreibungen, eine Chemotherapie besser zu überstehen? Als naturwissenschafltich ausgebildete Onkologen interessieren wir uns für zwei ganz praktische Gesichtspunkte: Gibt es Beweise für Nützlichkeit? Dürfen wir annehmen, dass kein Schaden angerichtet wird? Zu einer Auswahl von Themen haben wir versucht, Informationen auf den Punkt zu bringen:
Akupunktur
Algen-Präparate
Bach-Blüten
Carnitin
Curcurmin
Flavonoide
Genistein
Glutamin
Grüner Tee (EGCG)
Honig
Isothiozyanate ITC (Brokkoli, Kreuzblütler)
Mistel
Omega-3-Fettsäuren
Quercetin
Unsterblichkeitskraut Jiaogulan
Weihrauch (Boswellia)
Unsere Überzeugung: Wenn man glaubt, dass ein Stoff nützt, den man zu sich nimmt, müsste man für grundsätzlich möglich halten, dass er auch schaden könnte - und davor Schutz wollen. Das Problem mit vielen alternativ-komplementären Behandlungen ist, dass häufig Beweise in jeder Richtung fehlen. Dass Patienten an alternative Medizin manchmal einfach glauben und sich deswegen für Beweise oder Gegenbeweise gar nicht interessieren, ist menschlich. Glaubensfragen sind nichts, worüber man streiten soll, weil Glauben viel Kraft freisetzt. Es kommt aber vor, dass wir zu Vorsicht raten, wenn wir informiert werden.
Gerade, wenn eine neutrale Person und nicht der Schulmediziner selbst die Befragung macht, outen sich bis zu 80% onkologischer Patienten, dass sie zusätzlich zu dem, was verschrieben und besprochen wurde, unterschiedlichste Methoden anwenden bzw. Substanzen einnehmen. Häufig handelt es sich dabei um Stoffe, die als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet werden, selten um zugelassene Medikamente. Es ist ein Vielhundertmillionenmarkt, auf dem sich unterschiedlich seriöse Anbieter tummeln.
Wie entstehen vertrauenswürdige Informationen über Wirkung und Sicherheit? Klare Rangfolge: am wenigsten sicher sind Angaben tatsächlicher oder vermeintlicher Anwender ("testimonials"). Gerade im Zeitalter des Internet können Sie sich auf keinen Fall darauf verlassen, dass positive Wertungen echt sind und dass negative nicht vom Anbieter gelöscht wurden.
Wenn allzu positive Wirkungen versprochen werden, zeigt der Blick aufs Impressum oft, dass ein Vertrieb, ein Geschäft dahinter steckt. Schwierig wird es, wenn statistische Auswertungen von Beobachtungen vorgenommen werden, aber unklar bleibt, ob die Anforderungen an ordentliche Biostatistik eingehalten wurden. Mehr Vertrauen verdienen Untersuchungen, deren Methodik auf demselben Niveau ist wie in der Schulmedizin.
Inakzeptabel ist die Idee aus der alternativen Szene, dass, weil es sich nun einmal um alternative Methoden handele, Untersuchungen natürlicherweise mit geringerer Beweiskraft auskommen sollten als in der Schulmedizin. Also: kritisch bleiben! Meist führt das übrigens zur traurigen Erkenntnis, dass es wenig vertrauenswürdige Daten zu den jeweiligen Stoffen gibt.
Wer hat einen Nutzen davon, dass zu komplementärer Medizin kaum große, aussagekräftige und biostatistisch saubere Untersuchungen gemacht werden? Nicht selten findet man im Netz das Narrativ, es sei ein Zeichen für Seriosität der armen alternativen Underdogs, wenn sie gegen die gewaltige Marketing-Macht der Pharmakonzerne nicht an kämen.
Diese klassische Frage nach Motiven muss man in Wirklichkeit andersherum stellen: Genau diese alternative Anbieterszene lebt prächtig, wenn Zigtausende von Konsumenten aus Angst, etwas zu verpassen, Millionen Euro für Murks ausgeben. Viel besser, man nimmt die Profite mit, bevor die Nutzlosigkeit herauskommt.
Das Nachsehen haben übrigens die Kranken, denn die für sie tatsächlich nützlichen unter den alternativen/komplementären Verfahren werden nicht oder später identifiziert und viel weniger gefördert, als sie es verdient hätten.
Zu einigen Substanzen gibt es Aussagen zur vorbeugenden Anwendung durch Gesunde. Die Frage ist manchmal: Schütze ich mich vor der Entstehung einer Krebserkrankung durch Nutzung eines Präparates oder einer Methode
Es gibt alternative Methoden, für die mit der Behauptung Propaganda gemacht wird, sie könnten besser oder sanfter als schulmedizinische Maßnahmen gegen bösartige Erkrankungen wirken.
Manche Methoden werden unter dem Aspekt der Unterstützung schulmedizinischer Maßnahmen, speziell in Zusammenhang mit Chemotherapie angepriesen. Für diese Fälle ist der Anspruch nicht, besser als Chemo zu sein, aber besser als "die Chemie" die Nebenwirkungen zu unterdrücken.
Teils gibt es ernst zu nehmende Erkenntnisse zu Gefährdungen, die eng mit der Wirkung zusammenhängen: Wenn eine komplementäre Behandlung die Nebenwirkungen von Chemotherapie abschwächt, muss nachgewiesen sein, dass der Grund nicht in einer Abschwächung der beabsichtigten Haupt-Wirkung liegt.
Manchmal muss mindestens bedacht werden, dass Stoffe (auch und gerade, wenn sie pflanzlichen Ursprungs sind oder irgendwie als natürlich wahrgenommen werden) mit anderen Stoffen, auch mit Medikamenten, Wechselwirkungen haben. Wechselwirkungen können sein: veränderte Nebenwirkungen, verstärkte Wirkungen wie Überdosierung, abgeschwächte Wirkungen wie Unterdosierung.
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