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Dres. Müller-Hagen | Graefe | Winterberg | Kollegen

Rationierung im Gesundheitswesen existiert und sie ist unvermeidbar

Wäre Rationierung gerecht? Wissenschaftler auf dem Gebiet der Gesundheitsökonomie sagen längst, dass Rationierung im Deutschen Gesundheitswesen selbstverständlich stattfindet. Es klafft grundsätzlich auseinander, was möglich und vielleicht wünschenswert ist, und andererseits was von der von der Politik an Geld zur Verfügung gestellten wird. Nur sehr langsam sickert diese Sicht auch in offizielle Texte ein. In der Regel hört man (auch 12/2016) aber noch immer: In Deutschland mit dem besten Gesundheitswesen der Welt bekommt jeder alles, was nötig ist.

Das ist eine Propagandalüge. Rationierung existiert. Sie erfolgt zufällig. Sie erfolgt unterschwellig. Sie wird nicht benannt. Wer weiß denn auch, was nötig ist, was überflüssig - wessen Urteil gilt? Vor allem: Die Ärzte erhalten keine Entscheidungsregeln. Es fehlt an Transparenz und Ehrlichkeit. Die Politik entzieht sich ihrer Verantwortung, Maßstäbe zu definieren und Entscheidungen für oder gegen Ausgaben nachvollziehbar zu machen.

Akzeptiert: Gesundheitsminister müssen Kostenbremser sein

Seit Jahren ist es eine unwillkommene und unpopuläre Aufgabe der jeweiligen Bundesgesundheitsminister, die Ausgaben im Gesundheitswesen in Grenzen zu halten. Ziel ist, dass die Lohnnebenkosten nicht zu sehr belastet werden. Zu denen gehört ja der Arbeitgeberanteil der Krankenversicherung, und der trägt dazu bei, dass es teuer ist, Arbeitsplätze zu schaffen. Stark steigende Lohnnebenkosten könnten die wirtschaftliche Entwicklung des Landes insgesamt weiter bremsen. Die Gesundheitspolitik hat also zu einem guten Teil nicht direkt mit der Gesundheit zu tun, sondern damit, wie man mit vorhandenem Geld (quasi dem, von dem der Wirtschaftsminister behauptet, es sei für die Arbeitgeber akzeptabel) auskommen soll. Diese Tatsache können wir dem Gesundheitsminister eigentlich nicht anlasten.

Im Einzelfall mag man vorwerfen, dass die politische Setzung der Geldmenge falsch sei, aber an der Tatsache, dass es Grenzen gibt und dass der Gesundheitsminister per se eine Sparfunktion hat, ist nicht zu rütteln. Politisch verantwortlich denkende Ärzte und Versicherte und wenn sie können auch Patienten müssten grundsätzlich anerkennen, dass eine Gesellschaft, und auch eine reiche, Limits definieren muss für solidarisch aufzubringende Gesundheitskosten. Erheblich steigende Kosten für Krankenversicherung könnten wichtige wirtschaftliche Ziele, an denen die Gesellschaft ein erhebliches Interesse hat, in Frage stellen - beispielsweise angemessene Aufwendungen leisten zu können für Bildung oder Sicherheit.

Knappheit und Rationierung

Sowohl für die Gesellschaft insgesamt, als auch für den einzelnen Patienten gibt es zunehmend das Phänomen, dass man sich gesundheitsbezogene Maßnahmen vorstellen kann, die irgendwie besser sind, als die, die zur Verfügung gestellt werden.

Sei es im Großen

  • beispielsweise eine Impfkampagne [vielleicht nicht gerade die gegen Schweinegrippe], oder
  • mehr Rettungshubschrauber, oder
  • Gesetze, die Gesundheitseinrichtungen zu satterer Personalausstattung verpflichten und sie ermöglichen

oder sei es für den Einzelnen

  • ein Wohlfühlfaktor in der Krankenhausunterbringung oder
  • das Medikament, das bei gleicher Wirkung zu erheblich höheren Kosten zwar nicht besser wirkt, aber viel weniger Nebenwirkungen hat oder
  • eines mit bei sehr viel höheren Kosten auch wenigstens ein bisschen höherer Wirksamkeit

Wesentlich ist: Die Ideen, Erfindungen, Möglichkeiten existieren, aber sie werden nicht alle zugleich flächendeckend finanziert. In der Regel ist das Maß des Wünschbaren so groß, dass es nie finanzierbar ist: Immer wird es einige Wünsche geben, die auf der Strecke bleiben. Der Wirtschaftswissenschaftler spricht in einem solchen Falle von Knappheit –- die kann sich dabei sehr wohl auf einem extrem hohen Niveau abspielen. Wenn aber Knappheit herrscht, dann muss entschieden werden, wofür vorhandenes Geld ausgegeben wird, und wofür nicht. Dieser Vorgang ist automatisch damit verbunden, dass Entscheidungen für die einen, aber gegen die anderen Wünsche fallen. Und das ist Rationierung. Auch, wenn die Politik hier ständig lügt und behauptet, jeder erhalte "alles". Das ist nicht so.

Die Beispiele zeigen: Rationierung dürfte eigentlich als etwas völlig Normales angesehen werden, weil die Mittel limitiert und die Wünsche unendlich sind. Das Problem ist natürlich der emotionale Unterton, mit dem der Begriff der Rationierung zumeist in der Wahrnehmung gekoppelt wird. Der Versicherte fürchtet sofort, ihm werde etwas Entscheidendes genommen. Der Politiker spürt sofort, dass ein unvoreingenommener Umgang mit dem Phänomen Stimmen kostet.

Rationalisierung vor Rationierung?

Der Begriff der Knappheit schärft das Denken. Denn: eine der beliebtesten Reaktionen politisch Verantwortlicher lautet in etwa:

„"Im System ist noch so viel Luft, ich bin sicher, die Medizin / die Ärzte / die Kassen / die Fachleute  (aber nein: nicht die Politik) muss erst einmal die Rationalisierungsoptionen ausschöpfen / die Synergieeffekte nutzen / die Reserven heben, die durch Vermeiden von Doppeluntersuchungen / durch Abbau der Existenz von Praxen neben Krankenhäusern zu gewinnen sind .. dann erst wäre ich bereit, über Rationierung zu reden."

Worthülsen. Logischer Dünnsinn.

Natürlich geht es nicht um ein künstliches Aufrechterhalten ineffizienter Strukturen. Allerdings aber geht es um Wertentscheidungen: was hat Vorrang, was nicht? Gerade im Bereich der Onkologie mit ihren extrem hochpreisigen Medikamenten wird deutlich, wie wenig es auf die Struktur ankommt im Vergleich zum Medikament: Je nach Situation erhält ein Kassenarzt rund 40 bis 250 Euro im Quartal für die Betreuung eines Krebspatienten - fast egal, wie häufig der kommt. Aber die Medikamentenkosten können die 15 000 Euro im Quartal überschreiten. Das gesellschaftliche Ziel der Kostenkontrolle würde bearbeitet werden, wenn geklärt würde, ob die Effekte der 15 000 Euro für den Patienten die Ausgabe wert sind oder nicht - und es mag sehr wohl sein, dass die Wähler das nicht so sehen würden, aber Betroffene schon. Symbolpolitik ist, wenn dem Kassenarzt mit knebelnden Regeln die Inflationsanpassung der letzten 8 Jahre mit dem Argument, er müsse eben Effizienzreserven mobilisieren, verweigert wird.


Effizienzreserven

Die wichtigste Effizienzreserve, die wir besitzen, ist übrigens Sprechstundenzeit. Sprechen wir noch genug miteinander? Oberflächliche Abfertigung, Fünfminutenmedizin,  wäre Ausdruck des Hebens von Effizienzreserven. Zynisch? Nein, wenn man eine Praxis organisiert und merkt, dass an allen anderen wesentlichen Stellschrauben bereits gedreht wurde, kann der Moment gekommen sein, an dem die Gretchenfage zu stellen ist: Freude am Beruf riskieren und Kompromisse machen bei den Ansprüchen an die eigene Qualität? Wir kommen nach wie vor gerne zu unserer Arbeit, aber wir ahnen, dass wir effizienter sein könnten.

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