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Dres. Müller-Hagen | Graefe | Winterberg | Kollegen

Rationierung braucht Wertentscheidungen

Wieder ein Gerechtigkeitsthema: Der Arzt hat die Pflicht, sich um seinen Patienten zu kümmern. Er ist nicht Sparkomissar der Kassen, hat aber eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Konflikte sind programmiert.

Der Haken daran ist nämlich, dass die von der Politik vorgegebenen Kostenbremsregeln darauf keine Rücksicht nehmen. Sie zwingen die Ärzte, gleichzeitig irgendwie möglichst wenig Geld auszugeben. Alle Ärzte sind grundsätzlich in die Klemme gedrängt zwischen einer Verantwortung für die Gesellschaft (= Kosten dürfen nicht ausufern) und eine Gerechtigkeit unter den Patienten (= faire Verteilung der Mittel), und andererseits der Aufgabe, für jeden einzelnen ihrer Schützlinge möglichst das Beste herauszuholen (= Anwalt des einzelnen Patienten). Diese Aufgabe wird jeden Tag individuell so gelöst, wie es gerade geht. Wenn man erkennt, dass Rationierung (= Umgang mit Knappheit) existiert und den Begriff auch verwendet, heißt das:

Es fehlen allgemein gültigen Regeln über den Umgang mit Rationierung.

Wir wundern uns nicht darüber: Die Politik kann umso länger behaupten, alles wäre prima, je länger sie die Existenz des Phänomens ignoriert.

Zufällige Rationierung: ungerecht

Eine Rationierung, also eine Entscheidung für die einen und gegen die anderen Maßnahmen, die zufällig ist, kann zwar besten Willens getroffen werden, aber sie kann nicht gerecht sein. Der Entscheider, der die Interessen seines Patienten im Auge haben muss, hat keine Chance, über Alternativen des Geldeinsatzes nachzudenken und er ist nicht in der Position, Vergleiche anzustellen oder zu bewerten, ob die Versichertengemeinschaft mit seiner Entscheidung einverstanden wäre, wenn man sie fragen würde.

Ein politisches, kein medizinisches Problem: Wertentscheidungen

Wir reden über die Verwendung von Geldern, die von allen aufgebracht worden sind, durch Gesetze dazu gezwungen ("Solidarsystem") im Rahmen der Versicherungspflicht. Damit ist die Geldverwendung im Gesundheitssystem aber in Wirklichkeit keine rein individuelle Entscheidung (des Arztes oder des einzelnen Versicherten) mehr, sondern eine, die hinterfragbar sein muss. Der Einzelne darf "alles" wollen. Er steht nicht unter dem Zwang, begründen zu müssen, warum für ihn eine bestimmte Leistung einen hohen Wert hat. Wenn er aber Geld verbrauchen will, das von der Versichertengemeinschaft eingezahlt worden ist, sind die Ansprüche an die Verwendung von Mitteln im Gesundheitswesen höher. Die Verwendung muss fair sein, sie muss sinnvoll sein. Und sie muss dem Willen der Versichertengemeinschaft gerecht werden.

Die Versichertengemeinschaft hat bisher keine wirksame Stimme. Die Krankenkassen sind jedenfalls nicht ihre Stimme. Sie werden zunehmend wie Wirtschaftsunternehmen gesehen. Sie sollen möglichst viel Geld einsammeln, und möglichst wenig ausgeben. Sie versuchen populär zu sein. Da wird keineswegs immer danach gefragt, ob Dinge, die finanziert werden, ihr Geld wert sind. Hauptsache, es macht was her.
Die Politik hat in anderen Ländern sich bereits zu ihrer Verantwortung bekannt. Gewählte und damit auch abwählbare Vertreter des Volkes sind die Einzigen, die prinzipiell für sich in Anspruch nehmen könnten, den Auftrag zu haben, für das Allgemeinwohl zu handeln. Die Politik muss die Diskussion organisieren und am Ende auch dafür gerade stehen, wenn bestimmte Dinge nicht bezahlt werden sollen. Die so festgelegten Regeln können dann alle umsetzen.

Wenn man fragt, ob an bestimmten Stellen im Gesundheitssystem Geld ausgegeben werden soll, liegt der Entscheidung nämlich eine Beurteilung des Wertes zu Grunde. Wie nützlich ist der erreichte Effekt? Ist er es wert, dass ich mehr Geld ausgebe, oder reicht die viel preisgünstigere nächst schlechtere Möglichkeit nicht auch noch? Ist es der Gesellschaft gegenüber fair, wenn Geld, das Versicherte einzahlen mussten, für diese oder ist es fairer, wenn es für jene Maßnahme ausgegeben wird ? Um die Tragweite zu illustrieren: Man könnte durchaus für richtig halten, dass für die Gesellschaft nützlicher wäre, bestimmte Summen umzusteuern und Impfschutz stärker zu fördern, dafür teure Krebsmedikamente nicht zu bezahlen.

Sie merken: Es handelt sich nicht um medizinische Entscheidungen. Und darum kann es nicht sein, dass die Ärzte in eine Position gedrängt werden, sowohl zu entscheiden, ob eine Maßnahme medizinisch geht (das können Ärzte gut), sondern auch, ob sie gerecht, ihr Geld wert und von der Versichertengemeinschaft erwünscht ist. Letzteres können Ärzte nicht können. Es ist nicht ihre Aufgabe.

AMNOG – eine neue gesetzliche Chance?

Ausgerechnet unter den FDP-Gesundheitsministern Rößler/Bahr wurde das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes gemacht (AMNOG). "„Ausgerechnet" - das“ soll politisches Erstaunen kennzeichnen, weil nämlich das AMNOG wie ein Gesetz daherkommt, das die Gewinnaussichten pharmazeutischer Unternehmer plötzlich de facto erheblich eingrenzt. Auch 10/2015 ist es noch zu früh, um bewerten zu wollen, ob diese Einschätzung sich bewahrheitet, weil alle Beteiligten noch üben, wie das AMNOG anzuwenden ist. Bemerkenswert ist es dennoch und zwar deswegen, weil in ihm erstmalig ein Mechanismus einer Kosten-Nutzen-Bewertung gesetzlich verankert worden ist. Im Grundsatz ist damit zumindest für die Zukunft für jedes neue Medikament die Frage beantwortet, ob es einen Zusatznutzen gegenüber einer herkömmlichen Vergleichstherapie hat und wie erheblich dieser ist. Nach dieser Bewertung richtet sich die Preisfindung.

Im Kern hat mit dem AMNOG der Gemeinsame Bundesausschuss die Machtposition erhalten, festzustellen, ob ein Medikament für Deutsche Versicherte sein Geld wert ist. Dies ist zwar eine grobe Vereinfachung, aber dennoch ist ein solcher Ansatz revolutionär. Mit einem solchen Schritt verbindet sich nämlich die Hoffnung, dass Medikamente, die durch den AMNOG-Prozess gegangen sind, eine Art von politischem Gütesiegel für ihr Preis-Leistungsverhältnis erlangt haben. Das könnte sie und ihre Verschreiber aus der Schusslinie des Vorwurfs nehmen, gesellschaftlich inakzeptable Kosten zu verursachen. Mit einem Mal wären wichtige Elemente der Kostendiskussion transparent und in ein politisches Gremium verwiesen.

Allerdings, und da geht es dann weiter: Welchen Grad politischer Legitimation hat denn der Gemeinsame Bundesausschuss? Wem ist er rechenschaftspflichtig, wie könnte der Wähler ihn kontrollieren? Die Antwort: es ist eines der mächtigsten und für den Wähler am wenigsten erreichbaren Gremien in der Bundesrepublik.
 

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